Das Anwesen der hohen Herren




Erlebnisse aus der Vergangenheit

Das Anwesen der hohen Herren

Beitragvon Rarin » Sa 23. Aug 2008, 19:11

Es war finstere Nacht. Die Fenster klapperten im starken Nordwind, der im Winter immer durch Roxbury wehte. Draußen war es kalt und nass und selbst die stolze Eiche, die sogar einem Sturm trotzte, ließ in den letzten Tagen die Zweige hängen. Der Regen hämmerte auf die Dächer der Häuser und vom Hafen her schellten die Warnglocken. Und auf der anderen Seite der Fenster saß ein kleines Mädchen aufrecht in ihrem Bett und umklammerte ihr Kissen. Ihr Blick wanderte angsterfüllt zwischen den dunklen Schatten am Fenster und dem schwachen Lichtschein, der unter ihrer Zimmertür flackerte, hin und her. Es schien, als würde beides ihr die Furcht in den Körper treiben. Dann blitzte es. Und die Entscheidung war gefallen. Das kleine Mädchen schlüpfte, nur in ihre Schlafsachen gekleidet, aus dem Bett und eilte zu Tür. Sie musste sich strecken, um die schwere Bronzeklinke herunter zu drücken. Langsam schwang die Tür auf und der Blick auf den Gang wurde frei. Ein edler Teppich überzog den Boden aus Eichenbrettern und an der Wand hingen Fackeln. Die Hälfte von ihnen brannte noch und spendete selbst zu dieser späten Stunde noch etwas Licht. Das Mädchen eilte den Gang entlang. Ihre Schritte auf dem Teppich waren nahezu lautlos und so merkte niemand, wie sie sich zu der Tür am Ende des Flures stahl. Sie drückte ihr kleines Ohr an die Tür.
"Konzentrieren, konzentrieren", vernahm sie eine leise Männerstimme.
Jetzt stellte sich das Mädchen auf Zehenspitzen und lugte durch das Schlüsselloch. Sie konnte nur die Mitte des Zimmers sehen. Ihre große Schwester, die kaum drei Jahre älter als sie selbst war, stand vor einer großen, leeren Wand und hatte die Augen geschlossen. Gespannt beobachtete das Mädchen ihre große Schwester. Aber nichts geschah. Ein zittern durchlief das kleine Mädchen, während sie dann vom Schlüsselloch hoch zur Türklinke blickte. Sie streckte gerade ihre Hand aus, als ein lautes Knistern im Raum erklang.
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von Anzeige » Sa 23. Aug 2008, 19:11

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Re: Das Anwesen der hohen Herren

Beitragvon inwardly » Di 2. Sep 2008, 11:01

Es war zum verzweifeln. Naenai stand hier seid über einer Stunde, die Auge geschlossen, den Blick des Vaters im Nacken und versuchte sich zu konzentrieren. Aussichtslos. Wie die male zuvor, würde sie noch eine Weile stumm so dastehen müssen, ehe sich ihr Vater dann mit einem enttäuschten Blick abwenden und den Raum verlassen würde.
So war es jedes mal gewesen, seid der Herr des Hauses erfahren hatte, dass irgendein Sohn irgendeines Nachbarn die Technik der Blitze gemeistert hatte. Das besagter eingebildete Schnösel zwei Jahre älter war, als Naenai, tat der Schande der Familie, das das Mädchen diesen nicht übertraf anscheinend keinen Abbruch.
Naenai war wütend, doch sie wusste, das ihr Vater merken würde, wenn sie sich abblenken ließ.
Konzentration. Ihre Wut ballte sich zu einem Knoten in ihrer Brust zusammen.
Konzentration. Die tauben Hände, die sie seit Ewigkeiten in Magiehaltung hielt begannen zu kribbeln.
Konzentration. Plötzlich: Ein Funken, ein leises Knistern und zischen, zwischen ihren Fingerspitzen.
Kon... Da war jemand an der Tür. Naenai drehte sich um und der Funke verlosch. Ihre kleine Schwester Astesa stand vor der nur einen Spalt breit geöffneten Tür.
Das nächste was sie sah, war ein farbenfroher Schatten, der an ihr vorbeihuschte und sich dann als ihr Vater vor der Kleineren aufbaute. Wenn Naenai wütend gewesen war, so tobte dieser vor Zorn.
"Was hast du hier zu suchen?" rief er keuchend. Naenai fand, dass er mit in die Hüften gestemmten Armen aussah, wie ein missgestalteter Dodo.
Doch seine Prädigt war noch lange nicht beendet
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Re: Das Anwesen der hohen Herren

Beitragvon Rarin » Di 23. Sep 2008, 16:59

Ihr Vater wedelte kurz mit der Hand. Ein Wind kam auf. Astesa zitterte. Es war eiskalt geworden und in ihren dünnen Schlafsachen fröstelte sie. Mit einem Schlag warf der Wind die Tür ganz auf, dann verstummte ihr. Noch immer fröstelte das Mädchen, doch was sie zum Zittern brachte, waren die Augen ihres Vaters.
"Was willst du hier?", erklang dessen Stimme erneut in einer Lautstärke, dass die Frage noch lange wiederhallte. Astesa fiel auf die Knie und starrte den Boden an. Sie wünschte sich zurück in ihr Bett. Einen Moment lang überlegte sie, ob sie einfach weglaufen sollte. Aber es war längst zu spät dafür.
"Ich habe dir tausendmal gesagt, dass du hier nichts zu suchen hast." Langsam hob Astesa ihren Blick. Ihre Augen suchten ihre Schwester. Naenai stand still im Raum und betrachtete das Geschehen. Aber trotzdem gab ihr der Anblick ein wenig Kraft. Ihre Schwester hatte sie nie so behandelt wie Vater.
"Also gut, wenn du schonmal hier bist", fing der Vater wieder an und er war merklich ruhiger geworden, "können wir dich gleich mal testen. Vielleicht bist du ja nur... eine Spätentwicklung." Sein Blick war verächtlich. Er streckte die Hand aus. Astesa wusste, was jetzt kommen würde. Die letzten Jahre hatte sie es immer wieder erdulden müssen. Gleich würden Blitze zucken und sie würde schreien vor Schmerzen. Tränen sammelten sich in ihren Augen. Wenn sie sich doch nur irgendwie schützen könnte. Die Tränen liefen ihre Wangen herab, während die Stimme des Vaters noch immer im Raum wiederhallte.
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Re: Das Anwesen der hohen Herren

Beitragvon inwardly » Di 23. Sep 2008, 21:49

Naenai hasste, was sie sah. Sie konnte ertragen, wenn ihr Vater sich großkotzig, arrogant und herablassend Astesa gegenüber gab, meist belachte sie es sogar, denn sie kannte eine freundliche Seite an ihm, doch wenn dieser grausame Zug in seine Augen trat blieb nichts von alledem.
Sie sah hilflos zu, wie ihr Erzeuger eben den Zauber, den sie so verzweifelt zu lernen suchte, gegen Astesa richtete.
Er wusste genau, dass ihre Schwester sich nicht wehren- und das Naenai nicht ein eingreifen würde- Es war ja nicht das erste Mal. Naenai trat neben ihre Schwester und berührte flüchtig ihre Schulter
Sie sah fast wie in Zeitlupe, wie der Edelblütige die Arme hob und die Hände auf Brusthöhe parallel gegenüberstellte. Das erste Zischen. Er musste nichteinmal die Augen schließen, fiel es Naenai auf, als zwischen den behandschuhten Fingern eine Blitzkugel zu flimmern begann, an Größe gewann und Richtung Astesa züngelte, als der ältere Herr die Bewegung mit einem Magielaut auf den Lippen zu Ende führte.
Doch es war nicht nur seine Stimme die den Raum druchdrungen hatte. Ohne es zu merken, hatte Naenai es ihm gleich getan, jeden Schritt, jeden Atemzug und das Wort. Ihre Energiekugel war kleiner, schwächer, viel Schwächer, als die des Vorbilds gewesen, doch vielleicht bewies dies, dass ihr Vater nicht wirklich etwas Böses gewollt hatte oder er war davon erschrocken gewesen, denn Naenais Blitz reichte aus, um den größten Teil des Angriffs abzuwehren.
Der Stimmungswandel des Vaters war unheimlich.
"Du hast es geschafft!" rief er freudig und klatschte in die Hände, nachdem er sich von der Überraschung befreit hatte.
Astesa schien er kaum mehr zu bemerken
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Re: Das Anwesen der hohen Herren

Beitragvon Rarin » Do 25. Sep 2008, 02:24

Astesa drückte sich rasch an die Wand, als die Blitzkugeln aufeinander trafen. Sie hatte einen Schmerz erwartet, aber es war kaum mehr als ein Kribbeln, dass sie gespürt hatte. Verdutzt beobachtete sie die Szene, die sich nun vor ihr abspielte: Ihr Vater lachte glücklich, während er mit ausgestreckten Armen auf das Mädchen zuging, das nun noch alleine in der Tür stand. Auf Naenai, ihre Schwester, dem Mädchen, das die Magie beherrschte. Ganz im Gegensatz zu Astesa. Seit einiger Zeit schon hatte ihr Vater immer wieder versucht, ihr ein wenig der geheimnisvollen Kraft zu entlocken, aber sie konnte es einfach nicht. Sie war ihrem Vater nicht böse, weil er enttäuscht war und erst recht nicht ihrer Schwester, weil sie es besser konnte. Sie war auch nicht neidisch. Nun ja, ein wenig vielleicht, aber nicht sehr.
Es war eine richtige kleine Familienidylle, dachte sich Astesa, während sie das freudige Gesicht ihres Vaters beobachtete und wie er die Arme um ihre Schwester schloss. Wenn man diesen Moment festhalten könnte, daraus ein Gemälde machen würde, dann würde bestimmt als Titel darunter stehen: Familienglück - Vater und Tochter in Freude vereint. Ja, so müsste es sein, dachte sich das Mädchen und gleichzeitig wurde ihr bewusst, dass auf diesem Bild aber nur ihr Vater und Naenai zu sehen sein würden. Hier war kein Platz für sie, schoss es ihr durch den Kopf. Sie wollte einfach verschwinden, im Boden versinken oder mit der Wand verschmelzen. Aber das konnte sie, die ja nicht einmal eine Kerze magisch entzünden konnte, bestimmt nicht.
Also rannte sie los. Zuerst wollte sie raus rennen, raus aus dem Haus und weit weit weg. Aber dann fiel ihr das fürchterliche Gewitter ein und sie bekam Angst. Ein Schauer lief ihr über den Rücken. Sie entschloss sich, wieder in ihr Zimmer zu rennen.
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Re: Das Anwesen der hohen Herren

Beitragvon inwardly » Do 25. Sep 2008, 18:50

Es kam nicht oft vor, dass sich ihr Vater sich derartiger Gefühlsausbrüche nicht erwehren konnte und er hätte Naenai vermutlich nicht umarmt, wenn außer ihr und Astesa noch andere anwesend gewesen wären.
Apropos Astesa, als Naenai aufblickte, war diese nicht mehr zu sehen. Ein kalter Luftzug, den sie erst jetzt realisierte, legte eine Gänsehaut über ihre Arme. Ein ungutes Gefühl beschlich sie.
Doch vorerst musste sie die artige Tochter spielen und noch etliche male die kleinen Blitze zwischen ihren Fingern erzeugen, bis selbst ihre Handschuhe angesengt waren. Zwar gelang es ihr sichtlich besser, den Zauber auszuführen, doch Naenai wusste, das sie noch Ewigkeiten brauchen würde, bis aus dem Lichtspiel ein richtiger Angriff werden würde.

Später, der Morgen dämmerte bereits, als der Vater das Mädchen ins Bett geschickt hatte, lief Naenai, nicht ganz zufällig am Zimmerihrer jüngeren Schwester vorbei.
"Astesa?" Ihre Stimme klang brüchig, als sie sich durch den Türspalt gezwängt hatte und nun ins Dunkel des Raumes starrte.
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